Meine Töpferscheiben

Die erste Scheibe – ein hölzernes Relikt

Meine erste Töpferscheibe war rund 200 Jahre alt und vollständig aus Holz gefertigt. Die Achse, grob behauen, drehte sich in einer mit Fett gefüllten Vertiefung. Ein Gestell gab es nicht, nur vier Eichenpfosten, die direkt in den Boden eingelassen oder in Zement fixiert werden sollten. Die Schwungscheibe war so unregelmäßig, dass sie ständig vibrierte. Es war das wabi-sabi-hafte Objekt schlechthin – und auf dieser Scheibe habe ich gelernt, nicht nur den Ton zu zentrieren, sondern auch mich selbst.

Die Speedball Artista – abrupte Beschleunigung

Meine zweite Scheibe war eine Artista Speedball. Zunächst war ich begeistert – bis ich das Pedal berührte. Sensibel war es keineswegs. Es war eher wie beim Autofahren: Man möchte sanft beschleunigen, doch der Motor heult sofort auf. Nichts, nichts – und dann plötzlich volle Kraft. Kein Mittelweg, keine Kontrolle. Trotzdem war ich dankbar. Als Töpfer lernt man, mit allem zu arbeiten, was einen Vektor hat. Diese Scheibe besitze ich noch immer, und meine Kinder arbeiten gerne darauf – ohne dass ich ihnen etwas vom Pedal erzähle.

Produktionsarbeit – deutsche Scheiben

Als Produktionskeramiker habe ich viele deutsche Scheiben ausprobiert: die leise Rohde, Heuser, Böhmer, Gerhards, HSL – und die lauteste von allen, August Schnelle. Jede hatte ihre Eigenheiten und ihr eigenes Konzept der Geschwindigkeitsregulierung. Ich glaube nicht, dass die Art der Scheibe bestimmt, was gute Keramik ist. Sie ist nur ein Werkzeug, fast wie eine Prothese, die Körper und Ton verbindet. Doch sie beeinflusst den Rhythmus – und der Rhythmus prägt den Lebensstil.

Fußscheibe und Shimpo RK-3D

Heute arbeite ich mit einer hölzernen Fußscheibe von Kirschman und einer Shimpo RK-3D. Die Shimpo ist extrem leise und kraftvoll. Ich kann 12 Kilo Ton darauf zentrieren, ohne dass die Scheibe auch nur ansatzweise ins Stocken gerät. Auf ihr drehe ich vor allem größere Gefäße. Die Fußscheibe hingegen zieht mich in ein langsameres Tempo, näher am Körper, näher an der Tradition.

Der Rokuro – gebaut mit einem Freund

Am persönlichsten ist für mich meine Rokuro-Scheibe, die ich gemeinsam mit meinem Freund Dirk, einem Drechsler, gebaut habe. Das richtige Holz zu finden, war schwierig – die Sägewerke in meiner Umgebung winkten ab, weil die Schnitte, die ich brauchte, nicht „kosteneffektiv“ waren. Oft musste ich an das Zitat von Kurt Vonnegut denken: „Wir werden in die Geschichte eingehen als eine Gesellschaft, die sich nicht retten wollte, weil es nicht kosteneffektiv war.“

Schließlich fand ich einen alten Fichtenbalken aus einer Scheune. Daraus bauten wir meine Rokuro. Auf dieser Scheibe zu drehen ist unvergleichlich: Meine innere Geometrie stimmt sich auf ihren Rhythmus ein. Die Verbindung fühlt sich an, als würde ein Arm den anderen berühren – und doch spürt der berührte Arm es stärker. Genau so empfinde ich diese Scheibe.

Meistens drehe ich darauf Chawans und Yunomi, aber auch Vasen und Tokkuri. Durch das leichte Fichtenholz hat sie kaum Trägheit. Selbst mit einer schweren Zementscheibe läuft sie nicht wie meine andere Fußscheibe lange nach. Aber gerade das liebe ich. Sie verhält sich eher wie ein direkter Vektor – schlicht, lebendig, perfekt auf mich abgestimmt. Heute arbeite ich fast ausschließlich auf dieser Rokuro.

Rückblick

Nach all den verschiedenen Töpferscheiben finde ich es interessant, wie sich das Leben verändert. Am Anfang wollen wir Fülle – die besten Maschinen, die modernsten Werkzeuge, alles in Reichweite. Doch mit der Zeit habe ich entdeckt, dass ich viel mehr Freude in einfachen Dingen finde, wie in meiner Rokuro.

Gleichzeitig weiß ich: Die Fähigkeit, ein so schlichtes und wunderbares Instrument wirklich zu genießen, wurde erst durch all das möglich, was davor lag. All die Erfahrungen, all die Maschinen, all die Vielfalt – sie haben meinen Blick und meine Arbeitsweise geprägt.

Gleichzeitig weiß ich: Die Fähigkeit, ein so schlichtes und wunderbares Instrument wirklich zu genießen, wurde erst durch all das möglich, was davor lag. All die Erfahrungen, all die Maschinen, all die Vielfalt – sie haben meinen Blick und meine Arbeitsweise geprägt.

So entsteht Keramik bei mir. Aus Aufmerksamkeit, aus Rohheit, aus einer Beziehung zwischen Hand, Material und Feuer. Jedes Stück ist eine Spur dieses Weges.

Lucian Chiuia

Ich bin Lucian Chiuia – Töpfer seit über 30 Jahren. In meiner Werkstatt in einer alten Scheune in Bockenheim fertige ich Gebrauchskeramik, die Spuren trägt: vom Feuer, von der Hand, vom Moment. Ich arbeite mit Gas und Holz, mische meine Tone selbst und lasse jedes Stück seinen eigenen Weg finden. Kein Massenprodukt – sondern ehrliche, lebendige Gefäße, die still sprechen.

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